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Das Kunstwerk


1988 / Herdegen Fehlhaber

Das gesellschaftliche Geschehen der heutigen Zeit


Herdegen Fehlhaber

Mit diesem etwas pathetisch anmutenden Titel versah der Frankfurter Künstler sein Werk, das an der Grenze zwischen dem Marktplatz und der Großen Scharrnstraße in den Gehsteig eingelassen ist. Die etwa fünf Quadratmeter große Eisenplatte ist rasterartig in neun Felder eingeteilt. Diese sind durch einen betonten Randstreifen umrundet, in welchem Namen ausgewählter – einst für die Friedensbewegung bedeutender – Städte platziert sind. Die Anordnung der Stadtnamen entspricht grob deren geographischer Position. Am äußersten Rand sind die jeweiligen Entfernungen zu Frankfurt (Oder) in Kilometern angegeben.

Der Randstreifen korrespondiert mit der kreisrunden Darstellung einer Windrose im mittleren Feld, die zwei Friedenstauben sowie die Inschrift „Frankfurt Oder 1988“ beinhaltet. Die dicht strukturierte Gravur der einzelnen Darstellungsfelder ist teils figurativ teils organisch-abstrakt. Ein Stil, der für die Malerei Fehlhabers charakteristisch ist. Nicht alle Zeichen sind ohne Kommentar verständlich. Die schematischen Darstellungen der Marienkirche und der mittelalterlichen Architektur (Ost- und Südfeld) stehen für Geschichte und städtische Identität.

Das Zeitgeschehen der 1980er-Jahre, das hier das zentrale Thema ist, wird spannungsreich präsentiert; neben den Symbolen des industriellen Zeitalters (Nordfeld) sind – wenn auch schwer erkennbar – die sowjetische Weltraumstation „Mir“ sowie der Halleysche Komet im östlichen Feld angedeutet. Im südlichen Feld verweisen die schematisch gezeichneten Modelle von Elementarteilchen auf die Erfindung einer Neutronenbombe. Im nordwestlichen Feld ist – etwas undeutlich – eine Rose dargestellt. Sie soll an die Ermordung des, in der Abrüstungspolitik engagierten schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme (1986) erinnern. Das stark auf die zeitgenössischen Friedensbemühungen und auf futuristische Visionen der Weltalleroberung abzielende Bildprogramm wird durch eingravierte Stichworte ergänzt: „Contadora Gruppe“ hieß die 1983 ergriffene Initiative zur Lösung der militärischen Konflikte in Mittelamerika, „Neues Denken“ spielt an den Titel des, Anfang 1987 in der DDR erschienenen, Buches von Gorbatschow an und „Nevada Star Wars“ erinnert an den populären Science-Fiction-Epos, dessen Folgen in den frühen 1980er-Jahren in der Wüste von Nevada gedreht wurden.

Wie in einem Brennglas zeigt die Platte die globalen, gefährlichen Reibungen der politischen Blöcke, deren Konsequenzen bis ins Weltall reichen. Ein turbulentes Globalgeschehen, das in der DDR-Pressebericht-Erstattung jener Zeit dominierte (insbesondere im Internationalen Friedensjahr 1986). Die Verbindung mit einer Windrose lässt das Werk als ein friedenspolitischer Kompass erscheinen. Ein Instrument, das der Stadt Frankfurt, jener an der „Friedensgrenze“ gelegenen Stadt, eine Orientierung bieten soll.

Überraschenderweise enthält aber das Objekt auch ein gänzlich anderes, privates, verschlüsseltes Vermächtnis. Im Jahr 1988, kurz vor der Verlegung der Platte verstarb die Frau des Künstlers. Er widmete ihr dieses aufwändig bearbeitete Objekt und gravierte an einer bestimmten Stelle ihren Vornamen „Margrit“ ein. Somit wurde die Platte zu einem symbolischen „Grabstein“ im öffentlichen Raum.

Wie kam eigentlich Fehlhaber zu diesem Auftrag? Er wurde vom Stadtarchitekten aufgefordert, einige Ideen zur Straßengestaltung zu präsentierten. Und ausgerechnet das von der Ästhetik von Gullydeckeln inspirierte Relief schien dem Architekten eine ideale Ergänzung des abwechslungsreichen Bildprogramms zu sein. Das in einer Gießerei einfach zugängliche Eisenmaterial wurde wegen seiner Beständigkeit gewählt. „Das war eine rein technische Angelegenheit“, erklärte Fehlhaber. Er bekam ausreichend viel Zeit für die drei Arbeitsstufen (Vorentwurf, Gipsmodell, Ausführung), die jeweils angemessen vergütet wurden. Aus dem Gipsmodell wurde zuerst eine Graugussplatte vom VEB Erntemaschinen Tröbnitz Betriebsteil Frankfurt erstellt. Auf dieser Grundlage konnte der Guss hergestellt und am 15. Februar 1988 abgegeben werden. Allerdings, erinnerte sich der Künstler: „Ich habe nicht genau gewusst, wo es hingelegt wird“. Diese Entscheidung oblag dem Stadtarchitekten Dr. Vogler, der anschließend von seiner eigenen Wohnung hinausschauend, die Platte immer im Blick hatte.      

PZ, AD


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