Frankfurt (Oder), Scharrnstraße
Die Kunstwerke
Kunst am Bau in der DDR
Walter Womacka, Unser Leben. Mosaik, Berlin, Alexanderstr 9, 1964 (Fragment), Quelle: Wikimedia, OTFW Berlin
Nach zeitgenössischen Aussagen der damals staatlich autorisierten Expert/innen sollte Kunst im öffentlichen Raum ein „Ausdruck“ der sozialistischen Lebensweise sein und den stadträumlichen Kontext aufwerten. Die Neuformung vieler Stadtzentren und vor allem die Entstehung vieler Großsiedlungen boten unzählige Gelegenheiten zur Platzierung von Kunstobjekten.
Anders als im westlichen Deutschland, wo man überwiegend mit solitären Kunstgegenständen arbeitete, wurden in der DDR viele wichtige künstlerische Projekte in einem interdisziplinären Kollektiv entworfen. In solchen Fällen wurden Bilder unter der Berücksichtigung von Blickachsen als ein integraler Teil der Stadtlandschaft eingesetzt.
Die Wirkung der Kunst in den weitläufigen Stadträumen erforderte großmaßstäbliche Darstellungen, die wiederum eine vereinfachte Bildsprache und eine allgemeinverständliche Symbolik voraussetzten. Besonders prädestiniert zur Anbringung der Kunst im Außen- und Innenraum waren sowohl politische Institutionen als auch alle Einrichtungen der Bildung, der Kindererziehung, des Sports, der Erholung, der Kultur sowie sonstige öffentliche Gebäude wie Bahnhöfe, Gaststätten, Hotels, Klubs, Restaurants, etc. Der Bezug der Bilder zu gesellschaftlichen Aspekten der Gegenwart wurde zum obersten Gebot. Somit blieben Darstellungen der Arbeit und der Arbeiter/-innen ein allgemein übertragbares Muster.
Da sich jedoch die Inhalte an die Funktion des Gebäudes anzupassen hatten, ergab sich auch ein „kanonisches“ Spektrum an typischen baubezogenen Motiven. Ausgeführt wurden demnach Themen aus der Wissenschaft (in den Bildungseinrichtungen), aus der Natur-, Kinder-, Zirkus- oder Märchenwelt (in den Erziehungseinrichtungen) oder aus dem Familienleben (in den Wohnsiedlungen), usw. Die grundsätzliche Haltung der Darstellungen steht auch im programmatischen Kontext einzelner „Herrschaftsperioden“. So lassen viele Darstellungen aus der Ulbricht-Zeit einen eher ernsthaften, volksbelehrenden Charakter erkennen, während die Bilder aus der konsumfreudigen Honecker-Ära mehr Lebensfreude ausstrahlen. Neben den traditionellen Ausführungstechniken (Skulptur, Reliefs, Malerei, Sgrafitto, Fresken) wurde auch mit verschiedenen neuen Techniken experimentiert. (P. Z.)
Kunst am Bau in Frankfurt (Oder)
Harald Schulze, Boulevardpassanten. Acrylfarben auf Aluminium 1988. Große Scharrnstraße, Frankfurt (Oder). Wikimedia Commons, Sicherlich 2006
In Frankfurt (Oder) befinden sich etwa 270 Skulpturen und Wandbilder im öffentlichen Raum. Damit zählt die Stadt zu den am üppigsten mit Kunst ausgestatteten ostdeutschen Städten. Die Mehrheit von Objekten stammt aus der Zeit der DDR. Der Bestand ist vom städtischen Kulturbüro weitestgehend erfasst, auch im Hinblick auf die einstigen Modalitäten der Auftragsvergabe und der Ausführung.
Eine weiterreichende Erforschung und Kontextualisierung steht noch aus. Den Ausgangspunkt des Wiederaufbaus der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg bildete das Bahnhofsquartier und dessen wichtigstes öffentliches Gebäude das „Lichtspieltheater der Jugend“, eingeweiht 1955. Hier befinden sich neben zahlreichen Schmuckdetails an den Wohnbauten die raren Zeugnisse des „Sozrealismus“: die Kunststein-Skulpturen des „Stahlwerkers“ und der „Bäuerin“ sowie die Sgraffito-Darstellungen der regionalen Land- und Industriewirtschaft. Von diesem Beispiel abgesehen entstanden andere Objekte der sozialistischen Periode erst in den darauf folgenden Jahrzehnten. Die meisten stammen von in der Stadt bzw. in der Region ansässigen Künstler/innen wie beispielsweise Rudolf Grunemann, Harald Schulze, Walter Kreisel, Herbert Burschik, Michael Voll, Erika Stürmer-Alex, was der in der DDR üblichen Praxis der Auftragsvergabe entspricht.
Doch wurden in Frankfurt mitunter auch hochbedeutende Bildhauer beauftragt wie z.B. Fritz Cremer, Wieland Förster, Waldemar Grzimek, Fritz Kühn, Werner Stötzer. Neben überraschenden Platzierungen befinden sich besonders viele Objekte in der Innenstadt an den meistfrequentierten Straßen (Karl-Marx-Str., Heilbronner Str., Marktplatz) und in den Erholungszonen (Anger, Lennépark, Oderpromenade). Thematisch kann man zwischen folgenden vier Darstellungstypen unterscheiden: Eine verhältnismäßig kleine Gruppe ist systemkonformen politischen Inhalten gewidmet. Ein ebenso überschaubarer Bestand greift Inhalte der Stadtidentität bzw. Stadtgeschichte oder das Thema der Städtepartnerschaften auf.
Die dritte Gruppe bezieht sich unmittelbar auf die Funktion von Gebäuden. Schließlich die vierte, mit Abstand größte Gruppe (der Kunst im öffentlichen Raum) weist keine unmittelbaren politischen Bezüge auf. Sie ist auf beinahe intime Darstellungen von Menschen und/oder Tieren fokussiert. Einen spätsozialistisch und fast schon postmodern anmutenden Sonderfall stellen die ziemlich differenzierten Kunstwerke sowie die individuell gestaltete Möblierung der Großen Scharrnstraße dar, die für die (letzten in der DDR veranstalteten) „Festspiele der Jugend“ im Jahr 1988 vorbereitet wurden. Hier finden sich die durchaus subversiven Werke von Harald Schulze neben abstrakten Kompositionen von Michael Voll, dem Lauscher von Erika Stürmer-Alex und anderen konventionell ausgeführten Reliefs. Wie bei allen bedeutenden Projekten in Bezug auf Kunst am Bau wurde über die Platzierung der Werke von den 18 beteiligten Künstler/innen ausführlich vor Ort, auf der Großen Scharrnstraße diskutiert. (P. Z.) )
In Frankfurts Fußgängerzone der Großen Scharrnstraße sind so viele Kunstwerke zu finden, wie an keinem anderen Ort der Oderstadt. Wie kein anderes Quartier wurde der in den Jahren 1986 bis 1988 ausgeführte Abschnitt gemeinsam mit einigen Künstler*innen aus der Region entworfen. Die baubezogene Kunst - ein Markenzeichen des Bauwesens der DDR - zeigt sich hier als ein interessantes Zeugnis der postmodernen Suche nach Vielfalt.